Zeitreise in längst vergangene digitale Welten

Von Thomas Morawitzky

Lesedauer: ca. 3min 10sec
Wenn der Vater mit dem Sohne …: Papa Marcel mit Sohn Chris mit der Carrera-Super-Mario-Kartbahn GB-Foto: Bäuerle

Wenn der Vater mit dem Sohne …: Papa Marcel mit Sohn Chris mit der Carrera-Super-Mario-Kartbahn GB-Foto: Bäuerle

Am Eingang, gleich neben der Kasse, der Stand mit den T-Shirts. Sie sind hellblau, beerenrot, haben ein Logo auf der Brust, das irgendein Gerät zeigt, elektronisch und nicht neu. Darüber der Schriftzug: Retro Games Con. Am Samstag zieht es all jene, die die futurischen Spiele von gestern lieben, in die Herrenberger Mehrzweckhalle. Dort wird gezockt, dort wird gehandelt. Es sind allerdings weniger, als Bernd Kühn, Veranstalter der Retro Games Con, vielleicht erwartet hat. Die Herrenberger Mehrzweckhalle ist, auch mit Anbietern, eher vage gefüllt, aber die Stimmung ist gut.

An den Wänden und in der Hallenmitte stehen Tische, auf denen sich einiges türmt – nicht nur die Kunststoffverpackungen, auf denen Krieger und Comicfiguren die Zähne fletschen: Auch Plüschfiguren, Spidermänner, die Saugnäpfe an den Händen haben, sind da, zudem außerirdische Kreaturen, sehr possierlich, Helme, Masken, unheimlich und bedrohlich. Kleine und große Spielfiguren hocken auf den Tischen, dazwischen Brettspiele, technische Spiele aus allen Jahren, Jahrzehnten. Ein Roboter, kniehoch, surrt über den Boden.

Der Roboter gehört Christian Scharr, der den weiten Weg aus Dannstadt in der Pfalz auf sich genommen hat. „Er ist sehr einfach in seiner Funktion“, erklärt Scharr. „Er stammt aus Italien und wurde in den 1980er Jahren gebaut.“ Auf der ersten Herrenberger Games Con (der „Gäubote“ berichtete) ist der künstliche Knirps eigentlich nur des Spaßes, der Stimmung halber. Nach einem Käufer sucht Christian Scharr nicht unbedingt. „Aber es gibt Sammler“, sagt er. 120 Euro mag das Stück schon wert sein, schätzt er.

Scharr ist nicht der typische unter den Anbietern, von denen etwa 16 den Weg nach Herrenberg gefunden haben. Er ist oder war selber Sammler, besitzt eine Sammlung alter Spielwaren, die sehr groß ist: Keyboards beispielsweise oder ein sogenannter Lichtzeichner stehen und warten auf Käufer. „Wir achten sehr darauf, dass wir unterschiedliche ältere Sachen dabeihaben“, sagt der Verkäufer. „Heimcomputer der 1970er zum Beispiel. Leider ist das alles sehr unsortiert hier“ – er weist auf seine Tische – „aber wir sind Hals über Kopf angereist.“

Scharr besuchte zuvor bereits zwei weitere Veranstaltungen von Bernd Kühn, er war stets zufrieden. Und ist es nun in Herrenberg mehr denn je: „Ich bin vom Publikum sehr überrascht“, sagt er. „Die Leute sind sehr sympathisch und aufgeschlossen. Es ist auch gut, dass gar nicht so viele Stände da sind.“ Einen Nos-talgietrend im Spielesektor nimmt er deutlich wahr: „Viele 16- oder 20-Jährige kaufen heute gerne Konsolen, auf denen sie vor fünf Jahren spielten. Früher war diese Spanne viel größer.“ Christian Scharr selbst spielte diese Spiele nie, ist zu Hause in einem anderen Jahrzehnt, spielte auch niemals auf Nintendo – er wird bald 50 Jahre alt. „Ich kenne das nur durch meine Kinder“, sagt er. Allerdings: Herrenberg ist gut für diesen Händler. „Die Leute sind sehr kauffreudig, der Umsatz stimmt, sie haben Geld dabei.“

Dominic Ruthardt indes ist aus anderen Gründen zur Con gekommen. Er arbeitet für Verleihnix, eine Handlung für gebrauchte Spiele in Bad Cannstatt – er will für sie werben. „Als Händler“, sagt er, „ist es heute wichtig, auf dem Laufenden zu bleiben. Alte Computerspiele verkaufen sich fast so gut wie neue. Und wenn sie Sammlerobjekte sind, dann ist das noch eine ganz andere Schiene.“ Seltene alte Computerspiele, das weiß er, können längst auch schon bis zu 300 Euro einbringen. Fabian Riekert wiederum, aus Holzgerlingen und 33 Jahre alt, steht ganz auf der anderen Seite: Er ist gekommen, um zu kaufen. Nintendo-Spiele aller Art interessieren ihn, und er wurde schnell fündig in der Mehrzweckhalle. Zum ersten Mal ist er auf einer Veranstaltung, die Verkauf und Spiel miteinander verbindet – und er ist begeistert. „Die Turniere sind klasse“, sagt er.

Gerade beginnt ein solches Turnier. Bernd Kühn lässt Fragen aufleuchten mit einem Beamer. Zwei junge Spieler müssen sie beantworten, müssen schnell auf einen Buzzer schlagen und die richtige Antwort liefern. Es ist ein Retro-Quiz. Das SuperMario-Kartturnier kommt noch. „Gleich geht’s los!“, ruft der Quizmaster den beiden jungen Spielern zu, die nun raten müssen, wann es war, als die ersten Computerspiele auf den Markt kamen.

THOMAS MORAWITZKY

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Erstellt:
16. September 2019

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