Zwei Urgesteine verlassen ihre „Oase“

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Jörg Oswald und Renate Rebelsky samt Enkelin freuen sich auf den Ruhestand GB-Foto: Bäuerle

Jörg Oswald und Renate Rebelsky samt Enkelin freuen sich auf den Ruhestand GB-Foto: Bäuerle

Und wieder verlassen zwei Urgesteine die Nufringer Wiesengrund-Schule. Vor zwei Jahren sind die langjährigen Pädagogen Horst Ellner und Rainer Kicherer verabschiedet worden, nun gehen Konrektor Jörg Oswald und Sekretärin Renate Rebelsky in den Ruhestand – sie sind mit die letzten Relikte der im Jahre 2013 geschlossenen Hauptschule.

Von Urgesteinen zu sprechen und zu schreiben, ist in diesem Fall durchaus berechtigt, denn Jörg Oswald (62) unterrichtet bereits seit 1982 an der Nufringer Schule – also seit jenem Jahr, in dem Hans-Eberhard Schick das Amt des Rektors übernommen hatte. 1987 wurde Oswald zum Konrektor befördert – ein Amt, das er bis heute innehat. Dass es den in St. Georgen aufgewachsenen Pädagogen nach Nufringen verschlagen hat, war dem Zufall geschuldet: Nach dem Mathematik- und Sport-Studium an der Pädagogischen Hochschule in Karlsruhe und dem Referendariat in Schwenningen wurden Oswald und andere Absolventen in den Großraum Stuttgart versetzt. „Nufringen musste ich zuerst mal auf der Landkarte suchen“, schmunzelt der 62-Jährige, der 1985 nach Nufringen gezogen ist und seit 1997 in Sulz am Neckar wohnt.

Dass die 64-jährige Schulsekretärin Renate Rebelsky vor 27 Jahren an der damaligen Grund- und Hauptschule gelandet ist, war ebenfalls nicht geplant – obwohl sie ursprünglich das Ziel verfolgt hatte, Lehrerin zu werden. Nach dem Abitur wollte sie studieren, blieb dann dort hängen, wo sie übergangsweise nur hatte „jobben“ wollen. Die in Stuttgart aufgewachsene und seit 1980 in Nufringen wohnende Renate Rebelsky stieg zur Abteilungsleiterin in der Sozialversicherungsbranche in Stuttgart auf und nahm dann an der Nufringer Schule während ihres Erziehungsurlaubs eine Krankheitsvertretung an. Aus diesem Provisorium erwuchs dann aber eine dauerhafte Stelle – und somit landete Renate Rebelsky doch noch an einer Schule, zwar nicht als Lehrerin, aber auch die Aufgaben im Sekretariat haben ihr Freude bereitet. Unterrichtet hat sie später außerhalb der Schule: bei der Nachhilfe und bei VHS-Kursen zum Computerschreiben mit dem Zehn-Finger-System.

Oswald hat meist an der Grundschule unterrichtet, von 1999 bis 2003 war er zudem Klassenlehrer bei fünften und sechsten Klassen in der Hauptschule. Im Jahre 2013 kam es dann aber zur großen Zäsur: Die Hauptschule wurde mangels Schülern geschlossen, die Grund- und Hauptschule war fortan nur noch eine Grundschule. „Das Genick gebrochen hat uns damals die Freie Evangelische Schule, weil in einem Jahr viele Schüler auf die Freie Evangelische Schule gegangen sind“, rekapituliert Jörg Oswald. Dieser Trend hielt in den Folgejahren an, und dazu kam auch, dass die Hauptschule im Allgemeinen zunehmend verpönt war – in Nufringen aber zu Unrecht, wie Jörg Oswald meint: „Unsere Hauptschule hat gut funktioniert, sie war gleichsam eine Oase mit kleinen Klassen und zum Teil sehr guten Schülern, und wir hatten kaum schwierige Schüler.“ Einige ehemalige Hauptschüler setzten ihre Schullaufbahn auch an höheren Bildungsstätten fort – bis hin zur Universität. Ob der Gemeinschaftsschule mehr Erfolg beschieden sein wird als der Hauptschule? Der scheidende Konrektor ist skeptisch.

Renate Rebelsky und Jörg Oswald gehen nun nicht nur zeitgleich in den Ruhestand, sondern sie hatten fast drei Jahrzehnte lang auch Seit’ an Seit’ ihren Arbeitsplatz im Sekretariat der Nufringer Schule. „Es gab kurze Wege, sie haben sich ausgetauscht und auch mal gegenseitig geneckt, es war einfach schön, so wie man es sich wünscht“, sagt Schulleiterin Waltraud Oelkuch-Philipsen, die ihrerseits im Sommer 2020 in den Ruhestand wechseln wird.

Würde der jetzige Konrektor sich nochmals auf den Lehrerberuf einlassen, wenn er am Anfang seines beruflichen Wegs stünde? „Wenn es so wäre wie in den ersten Dienstjahren: Ja“, antwortet der 62-Jährige, der an der Grundschule hauptsächlich Deutsch, Musik und Sachkunde unterrichtet hat, an der Hauptschule auch Informatik. In den vergangenen Jahren seien die Arbeitsbedingungen aber schwieriger geworden, wie der Pädagoge feststellt: „Wir müssen viel mehr nebenher machen, zum Beispiel die Portfolios.“ Dazu komme, dass manche Schüler den Lehrern weniger respektvoll als früher begegnen, bedauert Jörg Oswald. Auch Renate Rebelsky hat solche Erfahrungen gemacht: „Manche Kinder grüßen nicht, sagen nicht bitte oder danke – die Umgangsformen sind nicht mehr so wie früher.“ Für positiv befindet Jörg Oswald aber die Änderung, dass die „Grundtugenden“ Mathematik und Deutsch an der Grundschule gestärkt worden sind.

Jörg Oswald war an der Nufringer Wiesengrund-Schule auch für die Stundenplan-Konzeption zuständig und hat sich als EDV-Administrator verdient gemacht. „Nach dem Motto ’Probleme sind zum Lösen da’ hat er alles betreut und im Griff gehabt, und das alles hat kein Geld gekostet“, lobt Rektorin Waltraud Oelkuch-Philipsen. Der Konrektor hat sich die EDV-Kenntnisse selbst angeeignet, was dem eigenen Interesse entsprungen ist. „IT ist mein Hobby, das war learning by doing“, erzählt Oswald, der auch Volkshochschul-Kurse zum Thema IT gehalten hat. Sein Wissen und seine Kenntnisse an Erwachsene weiterzugeben, war ohnehin ein Anliegen, das er über die Jahre verfolgte, auch im Schulwesen: Zehn Stunden pro Woche ist er abgeordnet, um angehende Rektoren fortzubilden.

Im Ruhestand will der zweifache Vater Jörg Oswald sich um seine drei Enkel kümmern und mit seiner Frau verstärkt auf Reisen gehen – beispielsweise um die in Uganda lebende Tochter zu besuchen oder mit dem Wohnmobil mal außerhalb der Schulferien zu touren. „Wir sind auch oft auf den Kanarischen Inseln, aber sonst bereisen wir Deutschland und stellen fest, wie viele tolle Ecken es in Deutschland gibt“, so Oswald. Die zweifache Mutter Renate Rebelsky freut sich derweil ebenfalls auf Reisen („Ich liebe den Lago Maggiore“) und auch darauf, mehr Zeit für ihre drei Enkel haben zu können – und umgekehrt. Und für die Enkel ist es schon Urlaub genug, bei der Oma weilen zu dürfen.

An der Nufringer Wiesengrund-Schule endet nun nicht nur die Ära dieser beiden Urgesteine, sondern auch eine weitere Zeitrechnung: Mit Jörg Oswald verlässt die letzte männliche Lehrkraft die Schule. KONRAD BUCK

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Erstellt:
12. Juli 2019

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