Sabrina Reitze und Hans Peter Kästle musizieren mit viel Herz und Seele im Gemeindehaus Entringen. GB-Foto: Holom
Voilá, Vorhang auf: Durchstreift werden die Seelenlandschaften und Gefühlswelten des Chansons, wo zuerst die Poesie, dann die Musik zählt, das Empfinden bedeutender als das Glück selbst ist. Sängerin Sabrina Reitze und der Ammerbucher Gitarrist Hans Peter Kästle zaubern im katholischen Gemeindezentrum in Entringen auf überaus charmante, gefühlvolle, intime und leidenschaftlich begeisternde Weise allen Kummer hinweg samt einem Lächeln auf die Gesichter. Zusammen widmet man sich bei diesem Liederabend sympathisch dem Leben, der fabelhaften Welt von Chansons nebst anderen Songs. Man flaniert laissez-faire, von einer warmen, romantischen, sehnsuchtsvollen, bittersüßen und lebensfreudigen Stimmung getragen durch die ruhmreiche Zeit französischer Chansons der 50er- und 60er-Jahre.
An diesem Abend leben Chansons und Evergreens wie Otis Reddings „Sittin’ on the Dock of the Bay“, George Gershwins „Summertime“ weiter, erzählen in bester Tradition immer auch ein kleines Theater, ein kleines Drama so eines Daseins. Ob Hoffnung und Sehnsucht, Liebe und Lebensglück, Trotz und Verletzlichkeit, Freud und Leid, Verlangen und Wehmut, Sabrina Reitze und Hans Peter Kästle lassen nicht nur sprachliche Schmuckstücke wie „Chanson pour l’auvergnat“, „L’important c’est la rose“ oder „Non, je ne regrette rien“ in geschmackvollem, dabei ungeschliffen authentisch bleibenden Wohlklang schimmern, funkeln und leuchten. Mit Leidenschaft und Überzeugung wird gelebt und geliebt, gehadert und gelitten, gesucht und gefunden. Das hat Flair und Atmosphäre, Fleisch, Blut und Seele, ist hingebungsvoll, hinreißend, verheißungsvoll gesungen und interpretiert. Das nährt das Herz, weckt den Freiheitsdrang, beflügelt die Lebensgeister, ist Balsam für die Seele. Obgleich diese Lieder so entspannt, angenehm kraftvoll und intensiv aus dem Ärmel geschüttelt werden, beschwören sie die puren Emotionen. Weder klein noch unbedeutend, ist in ihnen so gut wie alles enthalten, was so
ein irdisches Menschenleben ausmacht. Eh bien c’est la vie – also gut, so ist das Leben. Es sind Lieder, die wie ein Sonnenstrahl in der Seele brennen, einen durch die Lüfte tragen, durch die Zeit fliegen und tanzen oder im Augenblick ankommen, verweilen und tagträumen lassen.
Das Leben pulst und vibriert, es wird in vielen Facetten besungen, selbst vor großen Emotionen wird nicht haltgemacht. Es lässt sich gut leben zu diesen Liedern, selbst dann wenn man gerade nichts hat, wofür es sich zu leben lohnen würde. Zumindest lohnt es sich für diesen Abend mit inspirierender, guter Musik samt poetischen und sinnigen Texten. Gleich der beschworenen Rose in Gilbert Bécauds Chanson ist hier und jetzt im Gemeindezentrum nichts von Bedeutung außer diesen Liedern, die da wie die Schiffe in Otis Reddings R&B-Standard kommen und gehen. Man pflückt sie wie Rosen, diese kleinen Schmuckstücke, zu denen mit dem skurrilen, fantastischen und halluzinogenen Beatles-Klassiker „I am the Walrus“ das wundersamste und schillerndste Schätzchen gehört. Ein Song wie ein Trip, Nonsense mit Substanz, kurios und magisch.